Mit welchen Fragestellungen konfrontiert uns die Pandemie in der Medizin? #7
Shownotes
Impfpflicht, das Recht auf Körperliche Unversehrtheit, Umgang mit ungeimpften Patient*innen: Die Pandemie hat uns mit vielen ethischen Fragestellungen konfrontiert. Laut Prof. Dr. Michael Fantini sind dies alte Fragestellungen der Medizinethik im neuen Gewand. Er ist Medizinischer Direktor der DIAKOVERE Krankenhäuser #Annastift, #Friederikenstift und #Henriettenstift
Nach dem Medizinstudium kamen berufsbegleitend Abschlüsse in Gesundheitswissenschaften/Gesundheitsökonomie, Medizinrecht und Angewandte Ethik dazu.
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00:00:00: Das ist eine ganz spannende Fragestellung: Was hat Ethik mit Medizin oder Medizin mit Ethik zu
00:00:10: tun? Man könnte sagen eigentlich alles, weil es geht ja um das Wohl eines Menschen und was ist
00:00:17: in der Hinsicht richtig und was ist falsch? Was ist gut, was ist schlecht? Was darf man
00:00:21: oder was darf man nicht machen? Von daher ist Ethik eigentlich allpräsent, nur jetzt durch
00:00:29: aktuelle Diskussionen wird das Wort wieder öfter gebraucht, für viele Entscheidungen oder viele
00:00:36: Meinungen. Auch man denkt immer, dass das neue Fragestellungen wären. Die Fragestellungen sind
00:00:41: aber eigentlich alte Fragestellungen im neuen Gewand. Es ist wieder die Fragestellung: Was
00:00:47: kann man einem Menschen verpflichtend zumuten, was nicht ihm alleine hilft, sondern gegebenenfalls
00:00:55: auch der Allgemeinheit? Und wie gehen wir mit dem Willen des Patienten um, wenn er etwas nicht will,
00:01:02: was die Allgemeinheit für richtig hält? Wie gehen wir im Krankenhaus speziell mit Patienten um,
00:01:10: die sich partout nicht impfen lassen wollen? Können wir den Behandlungen vorenthalten oder
00:01:15: müssen wir da für alle das gleiche Recht walten lassen? Auch das sind Fragen, die auch ethische
00:01:23: Implikationen haben. Lösungen kann die Ethik meistens nicht anbieten, aber Gedanken dazu,
00:01:30: Argumente für das eine oder andere. Und Empfehlungen kann sie geben und da kann man sich
00:01:36: natürlich sehr gut auf die bekannten ethischen Prinzipien berufen, die ich jetzt einfach mal
00:01:42: erwähnen darf und das erste, was meistens jetzt auch als erstes angebracht wird, ist,
00:01:48: dass die Autonomie eines Menschen eines Patienten anzuerkennen ist, dass man eben wirklich einsieht,
00:01:54: dass der Patient das Recht hat, für sich Gutes wie auch Schlechtes zu wünschen oder zu wollen,
00:02:01: dementsprechend auch das Recht hat, sich nicht impfen zu lassen. Im aktuellen Zusammenhang
00:02:06: weitere Dinge sind, dass man den Patienten nicht schaden darf, mit dem was man tut. Natürlich immer
00:02:13: nach dem aktuellen Wissensstand der Medizin und dass man Gutes für ihn tun will oder Gutes für
00:02:20: ihn erreichen will, was aber auch heißen kann, seine Wünsche zu erfüllen, weil das ja auch
00:02:25: etwas Gutes ist. Der vierte Grundsatz - damit sind die vier Prinzipien erwähnt - ist, dass
00:02:31: das man Gerechtigkeit walten lassen muss. Dass man unabhängig von dem Patienten, von der Einstellung,
00:02:38: von all den anderen Kriterien, die sonst bekannt sind, die Patienten im medizinischen Sinne
00:02:45: gleichberechtigt behandeln muss. Alleine diese Diskussion um solche Werte, um ethische Werte,
00:02:51: auch, dass sie wieder in die Gesellschaft gekommen ist, finde ich sehr wichtig. Auch wenn sie sehr
00:02:59: strittig und manchmal sehr unsachlich ausgeführt wird, aber trotzdem, dass wieder diskutiert wird,
00:03:06: ist sicherlich gut. Im Krankenhaus haben wir auch zum Teil ganz praktische Erfolge. Zum Beispiel,
00:03:11: dass die Hygiene wieder einen richtig großen Stellenwert bekommen hat durch diese Pandemie,
00:03:17: muss man sagen. Wir haben viel größere Erfolge bei der Umsetzung oder der Implementierung von
00:03:26: hygienischen Gedankengut in der Mitarbeiterschaft, aber auch bei Patienten und bei Angehörigen,
00:03:33: das ist wahrscheinlich ein Nebeneffekt. Außerdem, dass es in Teams, die unter Stresssituationen
00:03:39: sind - und da haben wir ja einige jetzt auch im Krankenhaus - es wieder zu so einer solidarischen
00:03:45: Handlung kommt und dieser Patient im Mittelpunkt wirklich nicht nur ein gesprochener Wert ist,
00:03:51: sondern auch eine berücksichtige Handlung. Das Recht auf körperliche Unversehrtheit
00:03:56: heißt eigentlich nur, dass der Patient selber entscheiden muss und einwilligen muss in die
00:04:02: Handlungen, die mit ihm geschehen. Jede Blutabnahme, jede Impfung, jede Operation ist
00:04:08: eine Zerstörung der körperlichen Unversehrtheit. Deswegen darf sie ja auch nur mit Einverständnis
00:04:14: des Patienten geschehen. Aber da kommt dann eben die Frage: Muss ein Mensch im Sinne
00:04:20: der Allgemeinheit etwas erdulden an sich, was eigentlich Einverständnis-pflichtig ist. Aber auch
00:04:29: das ist ja keine neue Frage. Wenn sie irgendwo nach Afrika reisen wollen, müssten Sie schon seit
00:04:37: ewigen Jahren eine Gelbfieber-Impfung ertragen. Das ist auch eine Verpflichtung! Sie wollen etwas,
00:04:43: dafür müssen Sie sich impfen. Nicht nur zu ihrem eigenen Schutz, auch damit sie kein Gelbfieber
00:04:47: zurückbringen hierhin. Die Masern-Impfpflicht ist durchaus diskutiert worden, die wir ja schon
00:04:53: jetzt längere Zeit haben. Für Krankenhäuser wie bei uns, auch die ist vom deutschen Ethikrat ja
00:05:02: absolut befürwortet worden, weil es eben eine Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit gibt.
00:05:07: Weil, wenn es die nicht gäbe, dann kämen wir zu Zuständen, in denen auch der einzelne nicht mehr
00:05:13: leben könnte. Wenn es kein Vertrauen, keine Regeln gäbe, mit denen man arbeitet, dann würde die
00:05:21: Menschheit nicht überleben können. Die Pandemie hat uns sicherlich eine Herausforderung gebracht,
00:05:26: die wir vorher nicht kannten und in schwierige Situation, aber wir können sie meistern und wenn
00:05:33: wir wirklich das Patientenwohl an oberste Stelle stellen, dann ist es auch gar nicht so schwer,
00:05:41: mit den Belastungen auszukommen, ohne zu negieren, dass es Belastungen sind.
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